N i e d e r s c h r i f t


über die 1. öffentliche Sonder-Sitzung des Ausländerbeirates am 16.10.2001, 16.00 Uhr,
Neuer Ratssaal, Rathaus, Friedensplatz 1, 44135 Dortmund


Beginn: 16.00 Uhr
Ende: 18.40 Uhr

Anwesend waren: siehe beigefügte Anwesenheitsliste

Herr Güclü begrüßte die anwesenden Damen und Herren und stellte dann Frau Asiye Köhler vom Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. vor, die zum Thema “Islamischer Religionsunterricht” ein Referat halten wird. Dann stellte Herr Güclü fest, dass Herr Nolte vom Schulamt Dortmund der Einladung nicht nachgekommen ist. Eine Entschuldigung lag nicht vor.

1. Regularien
1.1 Benennung eines Ausschussmitgliedes zur Mitunterzeichnung der Niederschrift
1.2 Hinweis auf das Mitwirkungsverbot gem. § 31 Gemeindeordnung NRW
1.3 Feststellung der Tagesordnung

2. Berichte

Islamischer Religionsunterricht
- Frau A. Köhler, Zentralrat der Muslime, Köln
- Schulamt der Stadt Dortmund

Zu TOP 1: Regularien

1.1 Benennung eines Ausschussmitgliedes zur Mitunterzeichnung der
Niederschrift

Als Mitunterzeichner für die Niederschrift der heutigen Sonder-Sitzung wurde Herr Mehmet Ali Yildirim benannt.

Herr Güclü trug vor, dass ein Dringlichkeitsantrag von AK “Mehr Demokratie”, Frau Baboukhadia und Internationale Liste der SPD” zum Thema “Genitale Verstümmelung bei Mädchen und Frauen” vorliegt und schlug vor, die Tagesordnung um diesen Antrag zu erweitern. Er bat Frau González, die Dringlichkeit des Antrags zu begründen.

Frau González bat den Dringlichkeitsantrag in die Tagesordnung aufzunehmen, da zur heutigen Sonder-Sitzung Frau Köhler vom Zentralrat der Muslime anwesend ist und sie gebeten werden soll, den Antrag mit nach Köln zu nehmen, um diesen dem Zentralrat vorzulegen. Es wird im Antrag gebeten, das Projekt “Verbreitung von mehrsprachigen Informationsbroschüren zum Thema “Weibliche Genitalverstümmelung” von TERRE DES FEMMES e.V., Städtegruppe Dortmund, finanziell zu unterstützen.

Der Dringlichkeitsantrag wurde von Frau González vorgelesen, und nach Abstimmung mehrheitlich, mit 2 Enthaltungen, als erweiterten Tagesordnungspunkt in die Tagesordnung aufgenommen. Danach wurde der Dringlichkeitsantrag an die Anwesenden verteilt.

Die Sitzung wurde von Herrn Güclü für 10 Minuten unterbrochen.


Zu TOP 2: Islamischer Religionsunterricht
- Frau Asiye Köhler, Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V., Köln

Herr Güclü gab das Wort an Frau Köhler.

Frau Köhler bedankte sich an dieser Stelle für die Einladung nach Dortmund.
Sie begann ihre Ausführungen mit der Feststellung, dass ein qualifizierter Dialog nur dann geführt werden kann, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, d.h., dass man als Muslim über den Islam Bescheid weiß, einen eigenen Standpunkt hat. Erst dann kann man aus dem eigenen Standpunkt heraus den anderen diese umfassende Lehre versuchen klar zu machen. Frau Köhler teilte mit, dass sie sich seit 15 Jahren mit dem Thema islamischer Religionsunterricht befasst. Sie informierte weiter, dass sie ursprünglich eine türkische Germanistin ist und dass sie in der Türkei Germanistik und Latein studiert habe. Sie wurde dann vom deutschen akademischen Austausch als akademischer Gast nach Deutschland eingeladen. Sie habe dann in Deutschland Philosophie, Pädagogik und Islamwissenschaften studiert. Weiter teilte sie mit, dass sie Gründungsmitglied des Zentralrates und Vorsitzende des pädagogischen Fachausschusses des Zentralrates ist. Der Zentralrat nehme das Problem des o.g. Themas sehr ernst. Es gibt sogar einen pädagogischen Fachausschuss. In diesem Fachausschuss sind überwiegend deutsche Lehrkräfte. Also deutsche Lehrkräfte, die im Schuldienst sind. Aber auch zum islamischen Glauben gehören Türken und auch arabische Muslime, es ist also ein multikulturelles pädagogisches Gremium. Frau Köhler hält es als dringend notwendig, den islamischen Religionsunterricht als ordentliches Fach zur Integration der Muslime in Deutschland und in Europa einzuführen, was bisher leider aus ihrer Sicht nicht gelungen ist, wie man es vor Jahrzehnten erhofft hatte. Der islamische Religionsunterricht ist momentan auf Irrwegen, deswegen bittet sie um besondere Aufmerksamkeit. Es drohe z.B. die Gefahr, dass eine islamische Unterweisung, was kein islamischer Religionsunterricht ist, fasst mit staatlicher Gewalt als ordentliches Fach eingeführt wird und die verfassungswidrigen und auch sonst unbefriedigenden Verhältnisse in NRW für Muslime noch weitere Jahrzehnte in der Sackgasse verweilen werden. Das Hauptargument, das gegen die Muslime in Deutschland ins Feld geführt wird, wenn man religiöse Unterweisung gegen den Willen der Muslime einführen will, sagt man, es fehle ein Ansprechpartner. Seit Jahrzehnten wird behauptet, dass es zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts auf der islamischen Seite an Ansprechpartnern fehle. Diese Behauptung wird aber von den Muslimen als Vermeidungsstrategie abgelehnt, denn es gibt wirklich etliche Dachorganisationen. Sie nannte die folgenden drei Organisationen: der Zentralrat der Muslime in Deutschland, Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, DITIB. Diese drei Dachverbände sind bundesweit organisiert und man kann diese als Ansprechpartner nehmen. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass der Zentralrat und Islamrat zusammen arbeiten. Sie haben sogar eine gemeinsame Kommission gebildet, die sich mit diesem Problem qualifiziert auseinandersetzt. Es mangelt also nicht an islamischen Ansprechpartnern zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts.
Weiter führte sie aus, dass der Zentralrat der Muslime in Deutschland möchte, dass der islamische Religionsunterricht ausdrücklich in der deutschen Sprache, als gemeinsame Sprache aller Muslime in Deutschland und als Mittel der Integration, ausgeführt wird. Schließlich ist jede fremde Sprache für die Schulaufsicht weder durchschaubar noch kontrollierbar und könnte im Schulalltag Einschleusung destruktiven Gedankenguts ermöglichen. Ihres Erachtens herrscht in der Öffentlichkeit allgemein die Meinung, dass es unter den Muslimen sehr viele Gruppen gibt und dass es daher nicht möglich ist, unter diesen Muslimen Konsens herzustellen. Diese Meinung ist nicht richtig, denn die Muslime haben authentische Quellen, den Koran und die Suna. Der Islam ist keine kirchenbezogene Religion, aber dafür eine quellenbezogene Religion. Die islamischen Quellen sind authentisch geblieben und die Glaubensgrundsätze des Islams werden nicht von der Kirche oder ähnlichen Institutionen festgestellt, sondern sie sind bereits festgestellt und für alle Muslime verpflichtend, weltweit bindend und allgemein gültig.
Der Zentralrat hat über mehrere Jahre hin einen islamischen Lehrplan entwickelt, der von allen Mitgliedern akzeptiert wurde. Auch der Islamrat hat erfreulicherweise diesen Lehrplan akzeptiert. Der Lehrplan ist im März 1999 auf einer Pressekonferenz im Düsseldorfer Landtag der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Nicht nur die Dachverbände, sondern auch Christliche Kirchen sind gegen eine religiöse Unterweisung in NRW. Das wird als Anmaßung des Staates gesehen. In einer Stellungnahme des evangelischen Kirchenamtes heißt es: “Die Einrichtung einer separaten staatlich geprägten Religionskunde, also islamische Unterweisung, für muslimische Schülerinnen und Schüler ist abzulehnen. Jeder staatliche Pflichtunterricht in weltanschaulich religiösen Fragen verfehlt die freiheitlich demokratischen Prinzipien und reduziert in unverantwortlicher Weise die Bildungsaufgabe der Schule.”
Diese Unterrichtsform ist nicht nur undemokratisch, sondern verletzt auch die Religionsfreiheit der muslimischen Minderheit in Europa. Sie zerrüttet außerdem die verfassungsrechtlichen Grundlagen in Deutschland. Religiöse Unterweisung oder Religionskunde ist nämlich eine Unterrichtsform, in der die Einführung in den Glauben nicht vorgesehen ist. Die religiöse Unterweisung, die ab ersten Schuljahr eingeführt werden soll, führt also nicht in die Religion ein. Sie lässt nur über die Religionen sprechen. Die Religionen sollen von außen betrachtet werden. Geben aber damit keine Orientierung und vermitteln keinen Standpunkt. Es hilft nicht zur Identitätsbildung oder vermittelt auch keine verlässlichen Werte, wie sie die Kinder in dieser modernen Gesellschaft brauchen. Außerdem, dieser Ansatz, eine islamische Unterweisung ohne Glauben, die Muslime sagen, ein Islam ohne Imam, widerspricht im speziellen übrigens auch den Grundsätzen der islamischen Lehre, da sich der Islam als eine ganzheitliche Lehre versteht, dessen Fundament aber der Glaube bildet. Ohne Glauben reduziert sich der Islam auf Mechanik der Riten, strenge Dogmen und Vorschriften und Regeln. Gerade die Einführung in den islamischen Glauben ermöglicht die Förderung der inneren Kräfte des Kindes, schafft die innere Bildung, die Bildung überhaupt. Der Islam ist keine Religion der religiösen Nachahmung oder religiösen Hierarchie, er kennt keine Taufe, braucht keine Kirche. Umso mehr hält er aber an der inneren Bildung fest. Der Islam bezeichnet sich als schöpfungsmässige Religion, d.h., als die in jeden Menschen von Gott grundgelegte Religion. Der Mensch soll sich demnach nach seiner schöpfungsmässigen göttlichen Natur, d.h. Futra, richten bzw. sie zur Entfaltung bringen, um seinen Erschaffungszweck zu erfüllen. Also mit dem Koran geht es in der islamischen Lehre nicht um die Erlösung von einem existenziellen schicksalhaftem Übel oder um die Befreiung von der Sünde, es geht vielmehr um die Entfaltung dessen, was den Menschen von dem Schöpfer mitgegeben worden ist, nämlich die Entfaltung des eigentlichen Kerns seines Daseins. Es gibt natürlich deswegen auch keinen Zwang im Glauben des Islams, denn es steht eindeutig im Koran, denn wo der Glaube geschieht, im Herzen der Menschen oder im innersten der Menschen, ist er von außen nicht erreichbar, nicht durchschaubar, was den islamischen Fortschritt und Glaubensfreiheit eines jeden Menschen ausmacht.

Frau Köhler betonte noch einmal ganz deutlich an dieser Stelle, dass eine islamische Unterweisung ohne Glauben der islamischen Lehre nicht genügen, die Eltern nicht befriedigen, den Kindern keine Identität und keine Mündigkeit vermitteln kann.
Man müsse auf einen islamischen Religionsunterricht bestehen, weil der orientierende islamische Religionsunterricht dringend notwendig ist, da die Schüler, gerade islamische Kinder, zwischen verschiedenen religiösen, geistlichen, politischen bzw. ideologischen Strömungen hin- und hergerissen sind. Hinzu kommt, dass ein großer Teil dieser Kinder aus Gegenden mit gravierenden ethnischen Konflikten kommen. Gerade ein religiöser Religionsunterricht könnte in diesen Fällen die Migrantenkinder aus dem Teufelskreis der ethnischen Konflikte herausziehen. Die Kinder in dem islamischen Religionsunterricht lernen und erfahren, dass es noch höhere und edlere Werte gibt, die befreiender und erhebender wirken, als extrem nationalistische und rassistische Gedanken. Der islamische Religionsunterricht könnte in Europa einen wesentlichen Beitrag zur grundlegenden Bildung leisten. Wie kein anderes Fach beschäftigt sich auch der islamische Religionsunterricht mit den existenziellen Fragen der Menschen nach dem woher und wohin und nach Sinn und Ziel menschlichen Daseins. Er soll den jungen Menschen eine verlässliche Orientierung anbieten, einen mündigen Muslim heranbilden, der aus eigenem Standpunkt heraus zum Dialog befähigt ist und befähigt wird. Also ein europäischer Muslim, der einen konstruktiven Beitrag zum Aufbau eines neuen Europas leisten und neue Brücken bauen kann.

Weiter führte sie zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts aus, dass man darum bemüht sein muss, die Zusammenarbeit der Dachorganisationen zu fördern. Das die Ausbildung von qualifizierten Lehrkräften gefördert werden muss. Man könnte allerdings sofort mit den vorhandenen Lehrkräften einen Versuch starten. Ebenso wichtig sei der politische Wille zur Durchsetzung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen und Errichtung von islamischen Lehrstühlen an Hochschulen.

Da in Deutschland grundsätzlich die Religionsgemeinschaften im Einvernehmen mit dem Staat die Inhalte des Religionsunterrichtes sowie die Auswahl der Lehrkräfte selbst bestimmen, wollen auch die Muslime dieses Recht im Sinne der Gleichbehandlung wahrnehmen. Es geht den Muslimen in Deutschland also um die Durchsetzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte. In Artikel 7, Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es, der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen, mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen, ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Das heißt, der Staat und die Religionsgemeinschaften müssen zusammenarbeiten, damit dieser Unterricht gelingen kann. Natürlich will man einen islamischen Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht, sowie der christliche Religionsunterricht auch.
Der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen für die Muslime ist ein Prüfstein für Rechtstaatlichkeit und die Freiheitsrechte in Deutschland.
Zum Schluss gab Frau Köhler zu bedenken, dass der islamische Religionsunterricht weltweit Menschenliebe, Völkerverständigung und Frieden stiften kann. Für die Integration der Muslime bzw. des Islams in die europäische Wertegemeinschaft, ist der islamische Religionsunterricht unentbehrlich. Es geht, und das sollte man nicht aus den Augen verlieren, bei der religiösen Erziehung und Bildung der muslimischen Kinder und Jugendlichen auch um ein Stück europäische Identität und Zukunft.

Frau González bat Frau Köhler noch einmal den Unterschied zwischen den Begriffen Religionsunterweisung bzw. -unterricht zu erklären.

Frau Köhler teilte mit, dass man zwei Formen unterscheiden muss und zwar gibt es den katholischen Religionsunterricht als ordentliches Fach, dass geschieht so, dass die Kirche die religiösen Lehrinhalte feststellt und der Staat sorgt für die Organisation. Das ist verfassungsrechtlich garantiert. Die Lehrer in dem ordentlichen katholischen Unterricht müssen von der Kirche eine Missio, also eine Erlaubnis, haben. Lehrkräfte, die eine religiöse Unterweisung geben, benötigen diese nicht.

Frau Köhler bot an, falls gewünscht, über dieses Thema Materialien zur Verfügung zu stellen.

Herr Giese trug vor, dass die Grundlage, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, ist, dass eine strikte Trennung von Kirche und Staat vollzogen wurde. Von daher war es ihm bis heute nicht bewusst, dass der Ratssaal, der einen politischen Inhalt hat, eine Kirche ist. Über die am Anfang des Referats geäußerten kirchlichen Sprüche, war er überrascht. Es ist für ihn neu, in einem Ratssaal, in einer kirchlich religiösen Formel zu begrüßen. Es ist zwar nicht verboten, aber es ist erstaunlich, dass das in einer Gesellschaft passiert, die jetzt über mehrere Jahrhunderte die Trennung von Kirche und Staat vollzogen hat. Und von daher denke er, dass Frau Köhler einiges falsch auslegt. Ein Religionslehrer, eine Religionslehrerin, in einer staatlichen nichtkonfessionellen Schule muss die Missio haben, um die Grundlagen der Religion, die sie vermitteln will, bescheinigt zu bekommen. Man hat nicht Missio gleich Mission zu verstehen und die Kinder zu missionieren. Das aber habe Frau Köhler gesagt, wolle sie mit ihrem Religionsunterricht tun. Darin unterscheiden wir uns grundsätzlich. Dieses würde er, solange er politisch tätig ist, nicht zulassen. In Konfessionsschulen, wo durch kirchliche Lehrer, durch einen Priester oder eine Nonne Religion vermittelt wird, geschieht dieses auf einer anderen Grundlage. Aber hierüber würde man heute nicht sprechen. Falls das gewünscht wird, müssen andere Schulen geschafft werden, als unsere staatlichen, konfessionslosen Schulen. Es kann also nicht angehen, dass sie, und dass habe Frau Köhler sehr schön gesagt, einem jungen Menschen die Religionsvermittlung geben will, um ihm eine innere Bildung zu geben. Und ohne diese innere Bildung sind die Menschen zerrissen und sie haben keine Werte vermittelt bekommen. Deshalb brauchen Menschen die Religionsvermittlung. Die Religionsvermittlung muss aber erst so indoktrinieren werden, dass die jungen Menschen in diese Richtung geprägt sind und dann ist der Glaube unantastbar, lt. Frau Köhler, und dann kann ihm nichts mehr passieren, dann hat er seine Werte.
Aber genau das, richtete Herr Giese seine Worte an Frau Köhler, ist in unserer Gesellschaft nicht erlaubt. Das ist nicht Grundgesetz, wie Frau Köhler es ausgeführt hat. In unserer Gesellschaft kann der junge Mensch alle Religionen kennen lernen und die Werte der Religionen, die er mitgeteilt bekommt, seine eigenen Wertevorstellungen entwickeln und sich vollkommen frei entscheiden. Eine Missionierung in staatlichen Schulen, wie Frau Köhler es vorgestellt hat, wird es in der Bundesrepublik Deutschland nicht geben.
Weiter führte Herr Griese aus, dass er (das zweite mal) geschluckt habe, als Frau Köhler der Bundesrepublik Deutschland, dem Land NRW, vorwarf, dass der islamische Religionsunterricht mit staatlicher Gewalt verhindert würde, weil man sich auf die islamische Unterweisung festgelegt habe. Nur dieses kann es sein, so Herr Giese. Nur das kann Religionsunterricht beinhalten. Unterweisung, die Religion kennen lernen, die Werte dieser Religion kennen lernen und dann selbst entscheiden, ob man die Werte übernehmen will. Herr Giese verstehe daher nicht die Aussage, dass man in Deutschland undemokratisch sei. Dieses habe Frau Köhler mehrfach gesagt, und wenn das ihre Einstellung ist, dann müsse man noch lange diskutieren. Dann sprach er, über die Vielfaltsdiskussion, die so vehement von Frau Köhler abgelehnt wurde. Frau Köhler habe gesagt, es gäbe so wenig Ansprechpartner, habe dann aber gleich folgende genannt und zwar den Zentralrat der Muslime in Deutschland und den Islamrat der Muslime und führte aus, dass diese beiden sich schon einig sind. Nach Kenntnis von Herrn Giese sind diese es aber nicht, wenn es denn darum gehe, einen Inhalt von islamischen Unterweisung festzulegen. Es wurde bisher nicht geschafft, diese mögliche islamische Unterweisung die wir mit Lehrern wollen, die die deutsche Sprache sprechen, wenn sie islamischen Unterricht vermitteln, mit islamischen Verbänden abzustimmen. Also, die Missio zu erteilen.

Herr Gündüz stellte die folgenden Fragen an Frau Köhler: gibt es Lehrer, die islamischen Unterricht erteilen und die die gesamte Schulzeit plus Universität in Deutschland absolviert haben und anerkannt sind? Falls ja, wie viele? Welche islamische Organisation befragt der deutsche Staat bezüglich des islamischen Religionsunterrichts? Ist es möglich, dass die islamischen Organisationen den islamischen Religionsunterricht erteilen? Dann regte er an, dass bestimmte religiöse Motive und Rituale in eigener Sprache zu erklären, damit die Kinder es besser verstehen.

Frau Köhler reagierte auf den Vortrag von Herrn Giese so, dass auch in staatlichen Schulen der Religionsunterricht nur nach Artikel 7 Abs. 3 erteilt werden kann. D.h., dass der Religionsunterricht gleichwertig ist, egal welcher Religion. Dem deutschen Staat ist es gleich, ob ein Glaubenskreis aus Christen, Buddhisten oder Juden besteht. Der neutrale Staat ist verpflichtet, alle Glaubensrichtungen gleich zu behandeln. Sie betonte hier, dass sie hier nicht als eine Minderheit spricht, auch nicht als wir und ihr, sondern als Mitbürgerin dieses Staates. Weiter teilte mit, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass man sich qualifiziert über die Gesetze informier, um dann das Recht entsprechend zu vertreten. Sie führte dann noch einmal aus, dass in den staatlichen Schulen der Religionsunterricht nur in Übereinstimmung nach den Grundsätzen der Glaubensgemeinschaften gegeben werden kann. Dann teilte sie mit, dass sie nicht gesagt habe, dass missioniert werden muss, sondern dass die Ermächtigung zur Ausübung der kirchlichen Lehrgewalt für die Lehrkräfte für den Religionsunterricht Missio heißt. Weiter führte sie aus, dass die Muslime nur auf der Basis der Verfassung und gleichwertigen Unterricht haben möchten und das ist i.E. die beste Lösung für unser Zusammenleben in Deutschland. Die drei Dachverbände wollen alle den Religionsunterricht und sie sind sich in den Grundsätzen einig. Nur habe man bisher versäumt, auf diese einzugehen, man hat diese Dachverbände einfach ignoriert. Aber es gibt Zeichen, dass die Entwicklung fortschreitet. Deutschland wird die muslimischen Minderheiten nicht im Stich lassen. Dann bot sie Herrn Giese an, zu diesem Thema weiter in Verbindung zu bleiben.

An dieser Stelle kann aus technischen Gründen die Niederschrift nicht vollständig wiedergegeben werden.

Frau Drewes stimmte Frau Köhler in dem Punkt zu, dass Moslems das gleiche Recht auf Religionsunterricht wie die Christen haben. Allerdings habe sie die Frage an Frau Köhler zu dem Ziel des Religionsunterrichts. Kommt es in erster Linie auf eine Wissensvermittlung an oder ist das Ziel ein Glaubensbekenntnis? Hierzu informierte sie, dass das Ziel im christlichen Religionsunterrichtung nicht das Glaubensbekenntnis ist. Innerhalb der staatlichen Schule ist es schwierig einen Religionsunterricht durchzuführen, dessen Ziel das Glaubensbekenntnis ist.

Herr Cihan teilte die Meinung von Frau Köhler, dass ein Religionsunterricht sehr bald durchgeführt werden sollte. Weiter stellte er die Frage nach den Ergebnissen der 24 Schulprojekte zum islamischen Religionsunterricht. Wie steht die DITIB zu dem islamischen Religionsunterricht, in welcher Sprache soll er stattfinden?
Dann erkundigte er sich nach dem Lehrplan, islamischer Religionsunterricht. Welche Arbeitsgruppe hat diesen vorbereitet?

Herr Magsoudi teilte mit, dass jeder eine Religion oder Glauben haben kann. Das ist nicht das Problem, sondern das dieses politisiert wird.

Frau Köhler teilte Frau Gonalez mit, dass es genügen würde, wenn ein Dachverband mit der Durchführung des islamischen Religionsunterrichts einverstanden ist und nicht unbedingt alle drei. Mit den Aleviten müsste noch einmal getrennt diskutiert werden, da diese einen eigenen Unterricht wünschen.

Auf die Frage von Frau Drewes nach dem Ziel des Religionsunterrichts teilte sie mit, dass für das islamische Ziel sicherlich die Mündigkeit und Freiheit im Vordergrund steht. Der Islam kenne keine Taufe oder Kirche. Jeder Muslim muss sich selbst mit den Quellen befassen und sich für den Islam entscheiden oder nicht. Frau Köhler schwebt auch kein dogmatischer Unterricht vor, sondern sie möchte einen reflektierenden Unterricht haben. Frau Köhler wünscht sich einen Glauben, der den Menschen so humanisiert und verfeinert, dass man in seiner Art merkt, dass es sich wohl um einen Gläubigen handelt, ohne davon zu reden. Die Kinder sollten schon einen Standpunkt haben und wissen, warum sie einen Glauben haben. In sich ruhende Persönlichkeiten schaffen dann auch Freiheit und Frieden.

Herrn Cihan teilte sie mit, dass der Schulversuch ist noch nicht abgeschlossen. Der pädagogische Fachausschuss des Zentralrates hat den Lehrplan entwickelt. In diesem Ausschuss sind multinationale Lehrkräfte. Der entworfene Lehrplan wurde zur Verbesserung an die Mitglieder bzw. Verbände verschickt. Außerdem wurde den Hochschulen und den christlichen Verantwortlichen ebenfalls ein Entwurf geschickt. Allen islamischen Gruppierungen, die nicht im Zentralrat sind, wurde ein Entwurf zugesandt und ein Jahr hat man dann Verbesserungsvorschläge erhalten und diese sind dann in den Entwurf eingeflossen. Ein Lehrplan ist nie perfekt und daher arbeitet ständig ein Gremium an demselben. Zu der DITIB Position teilte sie mit, dass diese eine besondere ist. DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) eine staatlich geprägte Organisation. Deshalb kann DITIB wahrscheinlich nur eine Unterweisung akzeptieren. Nicht einen Religionsunterricht, den die anderen Dachverbände wollen. Zur Zeit laufen Verhandlungen, aber auf die Dauer muss Deutschland selber merken, dass ausländische Staaten, selbst keine Erfahrungen haben. An dieser Stellte räumte Frau Köhler ein, dass sie selbst nicht gegen DITIB oder die Türkei ist, aber diese Leute haben keine Erfahrung. Weiter teilte sie mit, dass Deutschland das beste Land für den Religionsunterricht sei. Deutschland hat die fortschrittlichsten Gesetze für die Religionsfreiheit. Die deutsche Verfassung ist die beste Verfassung die in den europäischen Ländern zu haben ist. Also die DITIB ist ein Sonderfall, aber sie wird mitarbeiten müssen, sonst kann sie draußen bleiben.

An Herrn Magsoudi richtete sie die Worte hinsichtlich der Politisierung des Glaubens, dass sie ihn gut verstehen kann und seine Sorgen hierzu teilt. Man kann Religion politisch missbrauchen, wenn die Religiösität der religiösen Menschen schwächer wird und wenn diese nicht merken, was mit der Religion geschieht. Wenn wir gute Muslime erziehen, werden diese sofort den politischen Missbrauch erkennen und sich dagegen wehren. In Bezug auf Extremismus hat sie die Stellungnahme vom Zentralrat vorliegen und sie wird diese Herrn Magsoudi aushändigen. Frau Köhler teilte mit, dass man sich von solchen Entwicklungen distanziert.

Der Vorsitzende gab das Wort an Herrn Kara, Herrn Gündüz, Herrn Konak, Herrn Zeriouh, Herrn Giese, Herrn Cihan und Herrn Aydin. Danach schloss er die Rednerliste.

Herr Kara stimmte dem zu, dass der islamische Religionsunterricht in der deutschen Sprache ausgeführt werden sollte, denn die Lehrkräfte werden in Deutschland ausgebildet. Zum Inhalt des Religionsunterrichts oder -unterweisung erkundigte er sich nach konkreten Punkten, wo gesagt werden könnte, dass mit einem bestimmten Thema der Unterweisung nicht einverstanden sein könnte.

Herr Gündez stellte fest, dass es s.E. keine ausgebildeten Religionslehrer z.Zt. in Deutschland für den islamischen Religionsunterricht gibt. Dann nahm er Bezug auf die Aussage von Frau Köhler, dass es genügen würde, wenn eine Organisation die Zustimmung für den Lehrplan gibt. Er zitierte aus einem Ausdruck des Landtags NRW, Seite 52: “Es ist Sache der islamischen Organisationen sich zu Religionsgemeinschaften zusammenzuschließen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden.” Daraus entnimmt er, dass nicht nur eine Gemeinschaft, sondern alle Gemeinschaften bestimmten sollten, wie der Unterricht stattfinden soll.

Herr Konak trug seine Bedenken dahingehend vor, ob der islamische Religionsunterricht in Deutschland zur Integration der Muslime führt oder ob dieses eher zu einer Spaltung der Gesellschaft führt. Weiter führte er aus, dass die Organisation DITIB, die er aus der Türkei her kenne, eine staatliche Organisation sei. Er ist sich nicht sicher, ob man gut beraten ist, wenn man diese um Rat fragt. Er stellte dann die Frage an Frau Köhler, warum die Moscheen in Deutschland nicht dem Zentralrat der Muslime angehören statt der DITIB oder Milli Görüs aus der Türkei? Weiter teilte er mit, dass ihm bekannt ist, dass Milli Görüs stärker organisiert ist als die DITIB. Auf der einen Seite sagt man, die Meinung von Milli Görüs ist uns nicht wichtig, weil diese politisch geprägt ist, auf der anderen Seite aber die Meinung von DITIB wichtig sei, weil diese unabhängig ist. Man setzt also hier Unabhängigkeit und Staatlichkeit
gleich und das ist nicht richtig. Weiter führte er aus, dass er dafür sei, dass in Deutschland ein Religionsunterricht für alle Gläubigen stattfindet. Er bezeichnete diesen Unterricht als Religions-/Geschichtsunterricht. Die Kinder in Deutschland sollten unabhängig von ihrem Glauben Religionsunterricht erhalten und dann selbst entscheiden können, welche Religion sie übernehmen. Herr Konak trug vor, dass s.E. Religion und Staat in Deutschland nicht getrennt sind. Wäre es so, hätte man heute keinen evangelischen und katholischen Religionsunterricht. Finanziell sind die Kirchen vielleicht unabhängig, da sie Kirchensteuern einnehmen und sich dadurch selbst finanzieren können. Politisch seien die Kirchen nicht unabhängig.

Frau Köhler ging auf den Vortrag von Herrn Kara wie folgt ein: Man hat das Curriculum vom Landesinstitut in Soest wurde nicht akzeptiert, da es für türkische Muslime gemacht wurde, religiöse Unterweisung für türkische Kinder. Deswegen ist dieser Lehrplan beladen von türkischen Sitten und Gebräuchen. Damals war eine politische Tendenz in der Pädagogik gängig. Also Kritik der Gesellschaft, Kritik der Kritik willen. Deshalb sind in diesem Lehrplan viele gesellschaftskritische Elemente und religiöse Zwiste. 1994 wurde eine kritische Analyse zu diesem Lehrplan geschrieben an das Ministerium geschickt. Es hat viel Mühe für die Muslime an der Basis gemacht, die Behörden darauf aufmerksam zu machen, was auf Deutschland zukommt. Es wäre sehr tragisch, dass dieses Curriculum seit 15 Jahren quasi in der Praxis ist, obwohl man Bedenken vorgetragen hat. Man sollte heute nicht nur über die Vergangenheit reden, denn das Ministerium kann die Situation heute besser übersehen und man hofft, recht bald bessere Möglichkeit für die Kinder zu erhalten. Zum Lehrerproblem führte sie aus, dass viele Klagen von islamischen Eltern gekommen sind, dass Lehrer kein astreines Theologiestudium absolviert haben. Das gerade türkische Lehrer islamische Werte in der Schule zerstören. Ein oft gesagtes Beispiel ist, wenn die Eltern oft mit Mühe den Kindern rituelle Waschung beibringen, sagt der Lehrer in der Schule, die Araber waren damals schmutzig, deswegen haben sie sich so gewaschen. Heute braucht ihr es so nicht zu machen usw. Dem türkischen Unterricht gegenüber gibt es eine gewisse Skepsis, weil eben die Werte in der Schule neutralisiert werden. Beim ordentlichen Religionsunterricht ist es sehr wichtig – so Frau Köhler -, dass Lerninhalte vorgeschrieben sind, damit eine Transparenz vorhanden ist.
Zu dem Vortrag von Herrn Gündüz trug Frau Köhler vor, dass in Bayern die islamischen Gemeinschaften, auch die Dachverbände, eine islamische Gemeinschaft Bayern aufbauen. Dieses könnte man in NRW auch machen.
Zu den Ausführungen von Herrn Konak teilte Frau Köhler mit, dass sie nicht für eine Ausschließung von DITIB und Milli Görüs ist. Milli Görüs arbeitet schon mit dem Zentralrat zusammen und schließt sich Projekten des Zentralrates an. Es wäre für Deutschland nicht vorteilhaft, wenn eine Moschee mit 500 Filialen ausgegrenzt würde.
Zu der Anfrage nach einer interreligiösen Erziehung der Kinder teilte Frau Köhler mit, dass man bereits in England diese Methode praktiziert und festgestellt hat, dass Kinder sich in keiner Religion zu Hause fühlten bzw. im Dialog nicht standhaft oder qualifiziert genug miteinander auseinandersetzen konnten. Man muss sich für eine Religion entscheiden können, was nicht heißen soll, dass man andere Glaubensrichtungen ablehnt. Gerade ein religiöser Mensch kann empfindsam mit anderen religiösen Menschen umgehen. Frau Köhler vertrat ebenso die Meinung, dass ein Religionslehrer ein Vorbild sein sollte und die Kinder deshalb erkennen sollten, welcher Religion er angehört. Ihrer Meinung nach ist der Islam in sich schon interreligiös. Er lässt Bibel und Tora anerkennen. Die Muslime lieben auch Jesus und Moses, Mohamed und Abraham, Friede sei mit allen Propheten. Der Islam in sich ermöglicht mit den anderen Religionen zurechtzukommen. Er hat, wie andere Religionen auch, Universalität Anspruch, lehrt aber auch, wie man mit anderen Religionen vornehm und menschlich umgehen kann. Ein Muslim ist verpflichtet, den Andersgläubigen gegenüber tolerant zu sein. Sie betonte noch einmal, dass man sich erst in einem Glauben heimisch fühlen muss, um sich qualifiziert mit anderen Glaubensrichtungen auseinandersetzen zu können.

Herr Giese trug vor, dass Einigkeit darüber herrscht, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland vernünftig sind und allen Religionen das gleiche Recht einräumen, ihre Werte zu vermitteln. Über die Inhalte, wie die muslimische Religion vermittelt werden soll, ist man sich uneinig. Hierzu zitierte er Frau Köhler wie folgt: Es muss Glauben vermittelt werden, weil dann wertvolle Menschen entstehen. Wer gläubig ist, muslimisch Glaubender ist, ist ein guter Mensch. Also, wer gläubig ist, ein Muslim, ein Christ, ein Jude, ist damit mit Werten versehen und ein guter Mensch. Dann zitierte er einen Nachsatz von Frau Köhler: Selbst in der PDS wissen die Menschen wo es lang geht. Und genau diese Mischung, die Religion und eine Partei, ist es, was uns unterscheidet in der Vermittlung, lt. Herrn Giese. Es gibt eine staatliche Organisation, die Parteien als Grundlagen und es gibt Glaubensrichtungen, die Religionen als Grundlagen haben. Frau Köhler habe dieses noch einmal untermauert, als sie gesagt hat, in der Türkei ist, als die Religion und der Staat getrennt wurden, ein Vakuum entstanden und dieses Vakuum führt dazu, dass es Schwierigkeiten in der Türkei gibt. Die Kurden usw. und genau an dieser Stelle haben wir Probleme miteinander, die noch ausgeräumt werden müssen. Dann bat Herr Giese um den Entwurf des Lehrplanes. Frau Köhler wird diesen zusenden.

Herr Cihan stellte fest, dass in Deutschland 90% der Muslime Türken sind. Dann informierte er, dass 300 Mitgliedsvereine sich im islamischen Kulturzentrum, 511 Mitgliedsvereine bei Milli Görüs und 776 Mitgliedvereine bei der DITIB befinden. Weiter führte er aus, dass muttersprachlicher Religionsunterricht für türkische Kinder stattfinden muss, da man zuviel von der Muttersprache verliert, wenn der Religionsunterricht nicht in türkischer Sprache stattfindet.
Herr Cihan bemängelte, dass von dem Schulamt niemand zur heutigen Sonder-Sitzung erschienen ist.

Herr Aydin trug vor, dass man erst am Anfang steht, was den islamischen Religionsunterricht betrifft. Seit ca. 15 Jahren hat der türkische und der deutsche Staat die Muslime vergessen. Seit Jahren haben die türkischen und muslimischen Kinder keinen islamischen Unterricht gehabt. Nur in den Vereinen und Moscheen wurde Unterricht erteilt.
Herr Aydin trug vor, dass in den Berufsschulen nur christlicher Religionsunterricht erteilt wurde und dass er hieran freiwillig teilgenommen hat. Von anderen Religion habe er da nie etwas gehört. Es wäre schön, wenn auch an diesen Schulen andere Religionen vorgestellt würden.
Er würde es sehr begrüßen, wenn bald islamischer Religionsunterricht erteilt würde.

Frau Babouhkadia vertrat auch die Meinung, dass gelernte Theologen Religionsunterricht erteilen sollten. Weiter bedauerte sie, dass das Schulamt keinen Vertreter geschickt hat.

Herr Güclü bedauerte an dieser Stelle, dass kein Vertreter vom Schulamt anwesend ist, um wichtige Fragen zu beantworten.
Es mit der PDS erwiderte Frau Köhler, dass sie hiermit nur zum Ausdruck bringen wollte, dass man sogar selbst in einer Partei begründen muss, warum man in der PDS, der CDU oder SPD ist. Also nicht nur in der Religionsbegründung sollte man wissen, warum man gerade diese und keine andere gewählt hat. Sie wollte nicht die Partei und die Religion mischen. Frau Köhler trug weiter vor, dass die Leute sagen, diese Gesellschaft mag uns nicht, wenn man sieht, wie lange man hingehalten wird, bevor ein islamischer Religionsunterricht erteilt wird. Aber die Politiker hätten inzwischen gemerkt, dass die Integration erst dann klappen kann, wenn die Muslime, so wie sie sind, akzeptiert und völlig normal behandelt werden. Die Kinder und Jugendlichen leiden darunter, wenn sie nicht anerkannt werden. Zu dem Vakuum in der Türkei sagte sie, dass man mit der Abschaffung des Islams zu radikal vorgegangen ist. Sämtliche humanitäre Werte in der Gesellschaft sind auch dabei verschwunden. Z.B. hat man eine sehr hohe Alkoholikerrate, sehr hohe Scheidungsraten, Wirtschaftskrisen, was auch moralische und kulturelle Krise sind. Wenn die Türken in ihrem Land klassische islamische Werte gehabt hätten, würde das Land anders aussehen. Es gibt z.B. in den offiziellen Schulen keinen Religionsunterricht.

Jeder moderne Religionsunterricht muss sich mit anderen Religionen auseinandersetzen. Es gibt keinen islamischen, katholischen, evangelischen oder orthodoxen Unterricht der sich nicht mit anderen Religionen befasst. Der Staat sorgt dafür, dass auch andere Religionen unterrichtet werden, was den Muslimen nicht schwer fällt, weil der Islam selber viele Elemente anderer Religionen in der Lehre schon hat.

Auf die Fragen von Herrn Cihan antwortete Frau Köhler, dass die Tendenz so ist, dass man türkisch als eine Sprache montieren will in die Schule. Dieser muttersprachliche Ergänzungsunterricht, daneben Kulturunterricht, war damals, als man dachte, dass die Türken zurückfahren würden nach dem Rotationsprinzip. Man muss es Deutschland anerkennen, dass es sehr viel Geld ausgegeben haben für die Türken. Bei anderen Nationen, wie Italiener usw. mussten die Konsulate überwiegend den Sprachunterricht bezahlen. Die türkische Sprache wird eine Hauptsprache sein, wenn die Kinder sie erlernen wollen, können sie am Unterricht teilnehmen. Frau Köhler vertrat hier auch die Meinung, dass Deutschland die türkische Sprache für wirtschaftliche Zwecke brauchen wird. Denn zu Europa gehört auch die türkische Sprache.

Herr Güclü bedankte sich bei Frau Köhler für den interessanten und informativen Vortrag.
Dann bat er die Verwaltung, Herrn Klenner, vorzutragen, warum Herr Nolte nicht erschienen ist. Herr Klenner trug vor, dass Herr Nolte nicht mehr zuständig sei, sondern Frau Frische und dass das Schulamt keine schriftliche Entschuldigung abgegeben habe.

Herr Güclü legte eine Pause von 10 Minuten ein. Um 18.20 Uhr wurde die Sitzung wieder eröffnet.

Herr Güclü verwies auf den am Anfang dieser Sitzung gestellten Dringlichkeitsantrag und gab das Wort an Frau González, als eine der drei Antragstellerinnen.

Frau González trug vor, dass während eines Pressegesprächs am 05.10.2001 im Rathaus die Informationsbroschüre zum Thema “Weibliche Genitalverstümmelung”, von TERRE DES FEMMES e.V. und dem Ausländerbeirat vorgestellt wurde. Der Ausländerbeirat hat sich mit einem finanziellen Beitrag von DM 300,-- an der Broschüre beteiligt. Während des Pressegesprächs hat sich herauskristallisiert, dass man den Zentralrat der Muslime um eine finanzielle Unterstützung bitten möchte, da auch die islamische Gesellschaft die Frauenbeschneidung ablehnt. Die Frauenbeschneidung ist im Koran nicht erwähnt. Sie ist auch keine dem Islam entlehnte Tradition, sondern hat ihre Wurzeln in vorislamischer, wie auch in vorchristlicher Zeit. Es soll noch geprüft werden, ob nicht auch dem Islamrat der Dringlichkeitsantrag mit der Bitte um eine finanzielle Unterstützung zugeschickt werden soll. Frau González würde es sehr begrüßen, wenn der heutige Antrag durch Frau Köhler dem Zentralrat der Muslime direkt übergeben würde.

Herr Güclü bat Frau Köhler um ihre Stellungnahme.

Frau Köhler begrüßte es sehr, dass man sich um das Problem “Weibliche Genitalverstümmlung” kümmert und stellte fest, dass es sich tatsächlich nicht um eine islamische Tradition handelt und dass ihre Wurzeln in vorislamischer Zeit zu finden sind. Gerne nimmt sie den Antrag zum Zentralrat der Muslime in Deutschland mit und sie wird sich im Vorstand dafür einsetzen, dass diese Initiative finanziell unterstützt wird.

Herr Kara fragte an, ob es nicht ratsam wäre, dass TERRE DES FEMMES sich direkt an den Zentralrat wendet, da der Ausländerbeirat nicht Vertreter dieses Vereins ist.

Herr Güclü begrüßte an dieser Stelle Stadträtin Greive, die erst jetzt zu der Sitzung kommen konnte, da dringende Termine – mehrere Alarme vermeidlicher Anschläge – ihre Anwesenheit erforderten, und gab ihr das Wort.

Frau Greive teilte zu der Bemerkung von Herrn Kara mit, dass sie Schirmfrau des Dortmunder Arbeitskreises “Wir brechen ein Tabu” ist, der als Teilorganisation des Vereins TERRE DES FEMMES wirkt und sie könne bestätigen, dass die Antragstellerinnen mit dem Verein abgesprochen haben, dass dieser Antrag heute gestellt wird und zwar aus folgendem Grund: Selbtverständlich kann TERRE DES FEMMES e.V. sich auch selber an den Zentralrat der Muslime wenden, aber es ist natürlich auch für eine finanzielle Forderung immer sehr viel besser, wenn diese auch noch von anderen Organisationen unterstützt wird. Das ist so eine Art Referenz, dass sie die Arbeit für sinnvoll halten und um eine solche Referenz bittet TERRE DES FEMMES den Ausländerbeirat.

Frau González teilte Herrn Kara mit, dass die bereits im Vorfeld ausgeführt habe, dass es sich hier um vorislamische Gebräuche handelt.

Frau Köhler stellte die Frage, ob man nicht auch von christlichen Institutionen finanzielle Unterstützung erbitten kann?

Herr Güclü schlug vor, den Dringlichkeitsantrag dahingehend zu ergänzen, dass auch christliche Institutionen und weitere muslimische Organisationen angeschrieben werden sollten.

Der Dringlichkeitsantrag, mit entsprechender Ergänzung, wurde einstimmig angenommen.

Nach diesen Ausführungen schloss Herr Güclü 18.40 Uhr die Sitzung.



Yusuf Güclü Mehmet Ali Yildirim Brigitte Flint
Vorsitzender Mitglied des Ausländerbeirates Schriftführerin

N i e d e r s c h r i f t


über die 1. öffentliche Sonder-Sitzung des Ausländerbeirates am 16.10.2001, 16.00 Uhr,
Neuer Ratssaal, Rathaus, Friedensplatz 1, 44135 Dortmund


Beginn: 16.00 Uhr
Ende: 18.40 Uhr

Anwesend waren: siehe beigefügte Anwesenheitsliste

Herr Güclü begrüßte die anwesenden Damen und Herren und stellte dann Frau Asiye Köhler vom Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. vor, die zum Thema “Islamischer Religionsunterricht” ein Referat halten wird. Dann stellte Herr Güclü fest, dass Herr Nolte vom Schulamt Dortmund der Einladung nicht nachgekommen ist. Eine Entschuldigung lag nicht vor.

1. Regularien
1.1 Benennung eines Ausschussmitgliedes zur Mitunterzeichnung der Niederschrift
1.2 Hinweis auf das Mitwirkungsverbot gem. § 31 Gemeindeordnung NRW
1.3 Feststellung der Tagesordnung

2. Berichte

Islamischer Religionsunterricht
- Frau A. Köhler, Zentralrat der Muslime, Köln
- Schulamt der Stadt Dortmund

Zu TOP 1: Regularien

1.1 Benennung eines Ausschussmitgliedes zur Mitunterzeichnung der
Niederschrift

Als Mitunterzeichner für die Niederschrift der heutigen Sonder-Sitzung wurde Herr Mehmet Ali Yildirim benannt.

Herr Güclü trug vor, dass ein Dringlichkeitsantrag von AK “Mehr Demokratie”, Frau Baboukhadia und Internationale Liste der SPD” zum Thema “Genitale Verstümmelung bei Mädchen und Frauen” vorliegt und schlug vor, die Tagesordnung um diesen Antrag zu erweitern. Er bat Frau González, die Dringlichkeit des Antrags zu begründen.

Frau González bat den Dringlichkeitsantrag in die Tagesordnung aufzunehmen, da zur heutigen Sonder-Sitzung Frau Köhler vom Zentralrat der Muslime anwesend ist und sie gebeten werden soll, den Antrag mit nach Köln zu nehmen, um diesen dem Zentralrat vorzulegen. Es wird im Antrag gebeten, das Projekt “Verbreitung von mehrsprachigen Informationsbroschüren zum Thema “Weibliche Genitalverstümmelung” von TERRE DES FEMMES e.V., Städtegruppe Dortmund, finanziell zu unterstützen.

Der Dringlichkeitsantrag wurde von Frau González vorgelesen, und nach Abstimmung mehrheitlich, mit 2 Enthaltungen, als erweiterten Tagesordnungspunkt in die Tagesordnung aufgenommen. Danach wurde der Dringlichkeitsantrag an die Anwesenden verteilt.

Die Sitzung wurde von Herrn Güclü für 10 Minuten unterbrochen.


Zu TOP 2: Islamischer Religionsunterricht
- Frau Asiye Köhler, Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V., Köln

Herr Güclü gab das Wort an Frau Köhler.

Frau Köhler bedankte sich an dieser Stelle für die Einladung nach Dortmund.
Sie begann ihre Ausführungen mit der Feststellung, dass ein qualifizierter Dialog nur dann geführt werden kann, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, d.h., dass man als Muslim über den Islam Bescheid weiß, einen eigenen Standpunkt hat. Erst dann kann man aus dem eigenen Standpunkt heraus den anderen diese umfassende Lehre versuchen klar zu machen. Frau Köhler teilte mit, dass sie sich seit 15 Jahren mit dem Thema islamischer Religionsunterricht befasst. Sie informierte weiter, dass sie ursprünglich eine türkische Germanistin ist und dass sie in der Türkei Germanistik und Latein studiert habe. Sie wurde dann vom deutschen akademischen Austausch als akademischer Gast nach Deutschland eingeladen. Sie habe dann in Deutschland Philosophie, Pädagogik und Islamwissenschaften studiert. Weiter teilte sie mit, dass sie Gründungsmitglied des Zentralrates und Vorsitzende des pädagogischen Fachausschusses des Zentralrates ist. Der Zentralrat nehme das Problem des o.g. Themas sehr ernst. Es gibt sogar einen pädagogischen Fachausschuss. In diesem Fachausschuss sind überwiegend deutsche Lehrkräfte. Also deutsche Lehrkräfte, die im Schuldienst sind. Aber auch zum islamischen Glauben gehören Türken und auch arabische Muslime, es ist also ein multikulturelles pädagogisches Gremium. Frau Köhler hält es als dringend notwendig, den islamischen Religionsunterricht als ordentliches Fach zur Integration der Muslime in Deutschland und in Europa einzuführen, was bisher leider aus ihrer Sicht nicht gelungen ist, wie man es vor Jahrzehnten erhofft hatte. Der islamische Religionsunterricht ist momentan auf Irrwegen, deswegen bittet sie um besondere Aufmerksamkeit. Es drohe z.B. die Gefahr, dass eine islamische Unterweisung, was kein islamischer Religionsunterricht ist, fasst mit staatlicher Gewalt als ordentliches Fach eingeführt wird und die verfassungswidrigen und auch sonst unbefriedigenden Verhältnisse in NRW für Muslime noch weitere Jahrzehnte in der Sackgasse verweilen werden. Das Hauptargument, das gegen die Muslime in Deutschland ins Feld geführt wird, wenn man religiöse Unterweisung gegen den Willen der Muslime einführen will, sagt man, es fehle ein Ansprechpartner. Seit Jahrzehnten wird behauptet, dass es zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts auf der islamischen Seite an Ansprechpartnern fehle. Diese Behauptung wird aber von den Muslimen als Vermeidungsstrategie abgelehnt, denn es gibt wirklich etliche Dachorganisationen. Sie nannte die folgenden drei Organisationen: der Zentralrat der Muslime in Deutschland, Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, DITIB. Diese drei Dachverbände sind bundesweit organisiert und man kann diese als Ansprechpartner nehmen. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass der Zentralrat und Islamrat zusammen arbeiten. Sie haben sogar eine gemeinsame Kommission gebildet, die sich mit diesem Problem qualifiziert auseinandersetzt. Es mangelt also nicht an islamischen Ansprechpartnern zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts.
Weiter führte sie aus, dass der Zentralrat der Muslime in Deutschland möchte, dass der islamische Religionsunterricht ausdrücklich in der deutschen Sprache, als gemeinsame Sprache aller Muslime in Deutschland und als Mittel der Integration, ausgeführt wird. Schließlich ist jede fremde Sprache für die Schulaufsicht weder durchschaubar noch kontrollierbar und könnte im Schulalltag Einschleusung destruktiven Gedankenguts ermöglichen. Ihres Erachtens herrscht in der Öffentlichkeit allgemein die Meinung, dass es unter den Muslimen sehr viele Gruppen gibt und dass es daher nicht möglich ist, unter diesen Muslimen Konsens herzustellen. Diese Meinung ist nicht richtig, denn die Muslime haben authentische Quellen, den Koran und die Suna. Der Islam ist keine kirchenbezogene Religion, aber dafür eine quellenbezogene Religion. Die islamischen Quellen sind authentisch geblieben und die Glaubensgrundsätze des Islams werden nicht von der Kirche oder ähnlichen Institutionen festgestellt, sondern sie sind bereits festgestellt und für alle Muslime verpflichtend, weltweit bindend und allgemein gültig.
Der Zentralrat hat über mehrere Jahre hin einen islamischen Lehrplan entwickelt, der von allen Mitgliedern akzeptiert wurde. Auch der Islamrat hat erfreulicherweise diesen Lehrplan akzeptiert. Der Lehrplan ist im März 1999 auf einer Pressekonferenz im Düsseldorfer Landtag der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Nicht nur die Dachverbände, sondern auch Christliche Kirchen sind gegen eine religiöse Unterweisung in NRW. Das wird als Anmaßung des Staates gesehen. In einer Stellungnahme des evangelischen Kirchenamtes heißt es: “Die Einrichtung einer separaten staatlich geprägten Religionskunde, also islamische Unterweisung, für muslimische Schülerinnen und Schüler ist abzulehnen. Jeder staatliche Pflichtunterricht in weltanschaulich religiösen Fragen verfehlt die freiheitlich demokratischen Prinzipien und reduziert in unverantwortlicher Weise die Bildungsaufgabe der Schule.”
Diese Unterrichtsform ist nicht nur undemokratisch, sondern verletzt auch die Religionsfreiheit der muslimischen Minderheit in Europa. Sie zerrüttet außerdem die verfassungsrechtlichen Grundlagen in Deutschland. Religiöse Unterweisung oder Religionskunde ist nämlich eine Unterrichtsform, in der die Einführung in den Glauben nicht vorgesehen ist. Die religiöse Unterweisung, die ab ersten Schuljahr eingeführt werden soll, führt also nicht in die Religion ein. Sie lässt nur über die Religionen sprechen. Die Religionen sollen von außen betrachtet werden. Geben aber damit keine Orientierung und vermitteln keinen Standpunkt. Es hilft nicht zur Identitätsbildung oder vermittelt auch keine verlässlichen Werte, wie sie die Kinder in dieser modernen Gesellschaft brauchen. Außerdem, dieser Ansatz, eine islamische Unterweisung ohne Glauben, die Muslime sagen, ein Islam ohne Imam, widerspricht im speziellen übrigens auch den Grundsätzen der islamischen Lehre, da sich der Islam als eine ganzheitliche Lehre versteht, dessen Fundament aber der Glaube bildet. Ohne Glauben reduziert sich der Islam auf Mechanik der Riten, strenge Dogmen und Vorschriften und Regeln. Gerade die Einführung in den islamischen Glauben ermöglicht die Förderung der inneren Kräfte des Kindes, schafft die innere Bildung, die Bildung überhaupt. Der Islam ist keine Religion der religiösen Nachahmung oder religiösen Hierarchie, er kennt keine Taufe, braucht keine Kirche. Umso mehr hält er aber an der inneren Bildung fest. Der Islam bezeichnet sich als schöpfungsmässige Religion, d.h., als die in jeden Menschen von Gott grundgelegte Religion. Der Mensch soll sich demnach nach seiner schöpfungsmässigen göttlichen Natur, d.h. Futra, richten bzw. sie zur Entfaltung bringen, um seinen Erschaffungszweck zu erfüllen. Also mit dem Koran geht es in der islamischen Lehre nicht um die Erlösung von einem existenziellen schicksalhaftem Übel oder um die Befreiung von der Sünde, es geht vielmehr um die Entfaltung dessen, was den Menschen von dem Schöpfer mitgegeben worden ist, nämlich die Entfaltung des eigentlichen Kerns seines Daseins. Es gibt natürlich deswegen auch keinen Zwang im Glauben des Islams, denn es steht eindeutig im Koran, denn wo der Glaube geschieht, im Herzen der Menschen oder im innersten der Menschen, ist er von außen nicht erreichbar, nicht durchschaubar, was den islamischen Fortschritt und Glaubensfreiheit eines jeden Menschen ausmacht.

Frau Köhler betonte noch einmal ganz deutlich an dieser Stelle, dass eine islamische Unterweisung ohne Glauben der islamischen Lehre nicht genügen, die Eltern nicht befriedigen, den Kindern keine Identität und keine Mündigkeit vermitteln kann.
Man müsse auf einen islamischen Religionsunterricht bestehen, weil der orientierende islamische Religionsunterricht dringend notwendig ist, da die Schüler, gerade islamische Kinder, zwischen verschiedenen religiösen, geistlichen, politischen bzw. ideologischen Strömungen hin- und hergerissen sind. Hinzu kommt, dass ein großer Teil dieser Kinder aus Gegenden mit gravierenden ethnischen Konflikten kommen. Gerade ein religiöser Religionsunterricht könnte in diesen Fällen die Migrantenkinder aus dem Teufelskreis der ethnischen Konflikte herausziehen. Die Kinder in dem islamischen Religionsunterricht lernen und erfahren, dass es noch höhere und edlere Werte gibt, die befreiender und erhebender wirken, als extrem nationalistische und rassistische Gedanken. Der islamische Religionsunterricht könnte in Europa einen wesentlichen Beitrag zur grundlegenden Bildung leisten. Wie kein anderes Fach beschäftigt sich auch der islamische Religionsunterricht mit den existenziellen Fragen der Menschen nach dem woher und wohin und nach Sinn und Ziel menschlichen Daseins. Er soll den jungen Menschen eine verlässliche Orientierung anbieten, einen mündigen Muslim heranbilden, der aus eigenem Standpunkt heraus zum Dialog befähigt ist und befähigt wird. Also ein europäischer Muslim, der einen konstruktiven Beitrag zum Aufbau eines neuen Europas leisten und neue Brücken bauen kann.

Weiter führte sie zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts aus, dass man darum bemüht sein muss, die Zusammenarbeit der Dachorganisationen zu fördern. Das die Ausbildung von qualifizierten Lehrkräften gefördert werden muss. Man könnte allerdings sofort mit den vorhandenen Lehrkräften einen Versuch starten. Ebenso wichtig sei der politische Wille zur Durchsetzung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen und Errichtung von islamischen Lehrstühlen an Hochschulen.

Da in Deutschland grundsätzlich die Religionsgemeinschaften im Einvernehmen mit dem Staat die Inhalte des Religionsunterrichtes sowie die Auswahl der Lehrkräfte selbst bestimmen, wollen auch die Muslime dieses Recht im Sinne der Gleichbehandlung wahrnehmen. Es geht den Muslimen in Deutschland also um die Durchsetzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte. In Artikel 7, Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es, der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen, mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen, ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Das heißt, der Staat und die Religionsgemeinschaften müssen zusammenarbeiten, damit dieser Unterricht gelingen kann. Natürlich will man einen islamischen Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht, sowie der christliche Religionsunterricht auch.
Der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen für die Muslime ist ein Prüfstein für Rechtstaatlichkeit und die Freiheitsrechte in Deutschland.
Zum Schluss gab Frau Köhler zu bedenken, dass der islamische Religionsunterricht weltweit Menschenliebe, Völkerverständigung und Frieden stiften kann. Für die Integration der Muslime bzw. des Islams in die europäische Wertegemeinschaft, ist der islamische Religionsunterricht unentbehrlich. Es geht, und das sollte man nicht aus den Augen verlieren, bei der religiösen Erziehung und Bildung der muslimischen Kinder und Jugendlichen auch um ein Stück europäische Identität und Zukunft.

Frau González bat Frau Köhler noch einmal den Unterschied zwischen den Begriffen Religionsunterweisung bzw. -unterricht zu erklären.

Frau Köhler teilte mit, dass man zwei Formen unterscheiden muss und zwar gibt es den katholischen Religionsunterricht als ordentliches Fach, dass geschieht so, dass die Kirche die religiösen Lehrinhalte feststellt und der Staat sorgt für die Organisation. Das ist verfassungsrechtlich garantiert. Die Lehrer in dem ordentlichen katholischen Unterricht müssen von der Kirche eine Missio, also eine Erlaubnis, haben. Lehrkräfte, die eine religiöse Unterweisung geben, benötigen diese nicht.

Frau Köhler bot an, falls gewünscht, über dieses Thema Materialien zur Verfügung zu stellen.

Herr Giese trug vor, dass die Grundlage, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, ist, dass eine strikte Trennung von Kirche und Staat vollzogen wurde. Von daher war es ihm bis heute nicht bewusst, dass der Ratssaal, der einen politischen Inhalt hat, eine Kirche ist. Über die am Anfang des Referats geäußerten kirchlichen Sprüche, war er überrascht. Es ist für ihn neu, in einem Ratssaal, in einer kirchlich religiösen Formel zu begrüßen. Es ist zwar nicht verboten, aber es ist erstaunlich, dass das in einer Gesellschaft passiert, die jetzt über mehrere Jahrhunderte die Trennung von Kirche und Staat vollzogen hat. Und von daher denke er, dass Frau Köhler einiges falsch auslegt. Ein Religionslehrer, eine Religionslehrerin, in einer staatlichen nichtkonfessionellen Schule muss die Missio haben, um die Grundlagen der Religion, die sie vermitteln will, bescheinigt zu bekommen. Man hat nicht Missio gleich Mission zu verstehen und die Kinder zu missionieren. Das aber habe Frau Köhler gesagt, wolle sie mit ihrem Religionsunterricht tun. Darin unterscheiden wir uns grundsätzlich. Dieses würde er, solange er politisch tätig ist, nicht zulassen. In Konfessionsschulen, wo durch kirchliche Lehrer, durch einen Priester oder eine Nonne Religion vermittelt wird, geschieht dieses auf einer anderen Grundlage. Aber hierüber würde man heute nicht sprechen. Falls das gewünscht wird, müssen andere Schulen geschafft werden, als unsere staatlichen, konfessionslosen Schulen. Es kann also nicht angehen, dass sie, und dass habe Frau Köhler sehr schön gesagt, einem jungen Menschen die Religionsvermittlung geben will, um ihm eine innere Bildung zu geben. Und ohne diese innere Bildung sind die Menschen zerrissen und sie haben keine Werte vermittelt bekommen. Deshalb brauchen Menschen die Religionsvermittlung. Die Religionsvermittlung muss aber erst so indoktrinieren werden, dass die jungen Menschen in diese Richtung geprägt sind und dann ist der Glaube unantastbar, lt. Frau Köhler, und dann kann ihm nichts mehr passieren, dann hat er seine Werte.
Aber genau das, richtete Herr Giese seine Worte an Frau Köhler, ist in unserer Gesellschaft nicht erlaubt. Das ist nicht Grundgesetz, wie Frau Köhler es ausgeführt hat. In unserer Gesellschaft kann der junge Mensch alle Religionen kennen lernen und die Werte der Religionen, die er mitgeteilt bekommt, seine eigenen Wertevorstellungen entwickeln und sich vollkommen frei entscheiden. Eine Missionierung in staatlichen Schulen, wie Frau Köhler es vorgestellt hat, wird es in der Bundesrepublik Deutschland nicht geben.
Weiter führte Herr Griese aus, dass er (das zweite mal) geschluckt habe, als Frau Köhler der Bundesrepublik Deutschland, dem Land NRW, vorwarf, dass der islamische Religionsunterricht mit staatlicher Gewalt verhindert würde, weil man sich auf die islamische Unterweisung festgelegt habe. Nur dieses kann es sein, so Herr Giese. Nur das kann Religionsunterricht beinhalten. Unterweisung, die Religion kennen lernen, die Werte dieser Religion kennen lernen und dann selbst entscheiden, ob man die Werte übernehmen will. Herr Giese verstehe daher nicht die Aussage, dass man in Deutschland undemokratisch sei. Dieses habe Frau Köhler mehrfach gesagt, und wenn das ihre Einstellung ist, dann müsse man noch lange diskutieren. Dann sprach er, über die Vielfaltsdiskussion, die so vehement von Frau Köhler abgelehnt wurde. Frau Köhler habe gesagt, es gäbe so wenig Ansprechpartner, habe dann aber gleich folgende genannt und zwar den Zentralrat der Muslime in Deutschland und den Islamrat der Muslime und führte aus, dass diese beiden sich schon einig sind. Nach Kenntnis von Herrn Giese sind diese es aber nicht, wenn es denn darum gehe, einen Inhalt von islamischen Unterweisung festzulegen. Es wurde bisher nicht geschafft, diese mögliche islamische Unterweisung die wir mit Lehrern wollen, die die deutsche Sprache sprechen, wenn sie islamischen Unterricht vermitteln, mit islamischen Verbänden abzustimmen. Also, die Missio zu erteilen.

Herr Gündüz stellte die folgenden Fragen an Frau Köhler: gibt es Lehrer, die islamischen Unterricht erteilen und die die gesamte Schulzeit plus Universität in Deutschland absolviert haben und anerkannt sind? Falls ja, wie viele? Welche islamische Organisation befragt der deutsche Staat bezüglich des islamischen Religionsunterrichts? Ist es möglich, dass die islamischen Organisationen den islamischen Religionsunterricht erteilen? Dann regte er an, dass bestimmte religiöse Motive und Rituale in eigener Sprache zu erklären, damit die Kinder es besser verstehen.

Frau Köhler reagierte auf den Vortrag von Herrn Giese so, dass auch in staatlichen Schulen der Religionsunterricht nur nach Artikel 7 Abs. 3 erteilt werden kann. D.h., dass der Religionsunterricht gleichwertig ist, egal welcher Religion. Dem deutschen Staat ist es gleich, ob ein Glaubenskreis aus Christen, Buddhisten oder Juden besteht. Der neutrale Staat ist verpflichtet, alle Glaubensrichtungen gleich zu behandeln. Sie betonte hier, dass sie hier nicht als eine Minderheit spricht, auch nicht als wir und ihr, sondern als Mitbürgerin dieses Staates. Weiter teilte mit, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass man sich qualifiziert über die Gesetze informier, um dann das Recht entsprechend zu vertreten. Sie führte dann noch einmal aus, dass in den staatlichen Schulen der Religionsunterricht nur in Übereinstimmung nach den Grundsätzen der Glaubensgemeinschaften gegeben werden kann. Dann teilte sie mit, dass sie nicht gesagt habe, dass missioniert werden muss, sondern dass die Ermächtigung zur Ausübung der kirchlichen Lehrgewalt für die Lehrkräfte für den Religionsunterricht Missio heißt. Weiter führte sie aus, dass die Muslime nur auf der Basis der Verfassung und gleichwertigen Unterricht haben möchten und das ist i.E. die beste Lösung für unser Zusammenleben in Deutschland. Die drei Dachverbände wollen alle den Religionsunterricht und sie sind sich in den Grundsätzen einig. Nur habe man bisher versäumt, auf diese einzugehen, man hat diese Dachverbände einfach ignoriert. Aber es gibt Zeichen, dass die Entwicklung fortschreitet. Deutschland wird die muslimischen Minderheiten nicht im Stich lassen. Dann bot sie Herrn Giese an, zu diesem Thema weiter in Verbindung zu bleiben.

An dieser Stelle kann aus technischen Gründen die Niederschrift nicht vollständig wiedergegeben werden.

Frau Drewes stimmte Frau Köhler in dem Punkt zu, dass Moslems das gleiche Recht auf Religionsunterricht wie die Christen haben. Allerdings habe sie die Frage an Frau Köhler zu dem Ziel des Religionsunterrichts. Kommt es in erster Linie auf eine Wissensvermittlung an oder ist das Ziel ein Glaubensbekenntnis? Hierzu informierte sie, dass das Ziel im christlichen Religionsunterrichtung nicht das Glaubensbekenntnis ist. Innerhalb der staatlichen Schule ist es schwierig einen Religionsunterricht durchzuführen, dessen Ziel das Glaubensbekenntnis ist.

Herr Cihan teilte die Meinung von Frau Köhler, dass ein Religionsunterricht sehr bald durchgeführt werden sollte. Weiter stellte er die Frage nach den Ergebnissen der 24 Schulprojekte zum islamischen Religionsunterricht. Wie steht die DITIB zu dem islamischen Religionsunterricht, in welcher Sprache soll er stattfinden?
Dann erkundigte er sich nach dem Lehrplan, islamischer Religionsunterricht. Welche Arbeitsgruppe hat diesen vorbereitet?

Herr Magsoudi teilte mit, dass jeder eine Religion oder Glauben haben kann. Das ist nicht das Problem, sondern das dieses politisiert wird.

Frau Köhler teilte Frau Gonalez mit, dass es genügen würde, wenn ein Dachverband mit der Durchführung des islamischen Religionsunterrichts einverstanden ist und nicht unbedingt alle drei. Mit den Aleviten müsste noch einmal getrennt diskutiert werden, da diese einen eigenen Unterricht wünschen.

Auf die Frage von Frau Drewes nach dem Ziel des Religionsunterrichts teilte sie mit, dass für das islamische Ziel sicherlich die Mündigkeit und Freiheit im Vordergrund steht. Der Islam kenne keine Taufe oder Kirche. Jeder Muslim muss sich selbst mit den Quellen befassen und sich für den Islam entscheiden oder nicht. Frau Köhler schwebt auch kein dogmatischer Unterricht vor, sondern sie möchte einen reflektierenden Unterricht haben. Frau Köhler wünscht sich einen Glauben, der den Menschen so humanisiert und verfeinert, dass man in seiner Art merkt, dass es sich wohl um einen Gläubigen handelt, ohne davon zu reden. Die Kinder sollten schon einen Standpunkt haben und wissen, warum sie einen Glauben haben. In sich ruhende Persönlichkeiten schaffen dann auch Freiheit und Frieden.

Herrn Cihan teilte sie mit, dass der Schulversuch ist noch nicht abgeschlossen. Der pädagogische Fachausschuss des Zentralrates hat den Lehrplan entwickelt. In diesem Ausschuss sind multinationale Lehrkräfte. Der entworfene Lehrplan wurde zur Verbesserung an die Mitglieder bzw. Verbände verschickt. Außerdem wurde den Hochschulen und den christlichen Verantwortlichen ebenfalls ein Entwurf geschickt. Allen islamischen Gruppierungen, die nicht im Zentralrat sind, wurde ein Entwurf zugesandt und ein Jahr hat man dann Verbesserungsvorschläge erhalten und diese sind dann in den Entwurf eingeflossen. Ein Lehrplan ist nie perfekt und daher arbeitet ständig ein Gremium an demselben. Zu der DITIB Position teilte sie mit, dass diese eine besondere ist. DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) eine staatlich geprägte Organisation. Deshalb kann DITIB wahrscheinlich nur eine Unterweisung akzeptieren. Nicht einen Religionsunterricht, den die anderen Dachverbände wollen. Zur Zeit laufen Verhandlungen, aber auf die Dauer muss Deutschland selber merken, dass ausländische Staaten, selbst keine Erfahrungen haben. An dieser Stellte räumte Frau Köhler ein, dass sie selbst nicht gegen DITIB oder die Türkei ist, aber diese Leute haben keine Erfahrung. Weiter teilte sie mit, dass Deutschland das beste Land für den Religionsunterricht sei. Deutschland hat die fortschrittlichsten Gesetze für die Religionsfreiheit. Die deutsche Verfassung ist die beste Verfassung die in den europäischen Ländern zu haben ist. Also die DITIB ist ein Sonderfall, aber sie wird mitarbeiten müssen, sonst kann sie draußen bleiben.

An Herrn Magsoudi richtete sie die Worte hinsichtlich der Politisierung des Glaubens, dass sie ihn gut verstehen kann und seine Sorgen hierzu teilt. Man kann Religion politisch missbrauchen, wenn die Religiösität der religiösen Menschen schwächer wird und wenn diese nicht merken, was mit der Religion geschieht. Wenn wir gute Muslime erziehen, werden diese sofort den politischen Missbrauch erkennen und sich dagegen wehren. In Bezug auf Extremismus hat sie die Stellungnahme vom Zentralrat vorliegen und sie wird diese Herrn Magsoudi aushändigen. Frau Köhler teilte mit, dass man sich von solchen Entwicklungen distanziert.

Der Vorsitzende gab das Wort an Herrn Kara, Herrn Gündüz, Herrn Konak, Herrn Zeriouh, Herrn Giese, Herrn Cihan und Herrn Aydin. Danach schloss er die Rednerliste.

Herr Kara stimmte dem zu, dass der islamische Religionsunterricht in der deutschen Sprache ausgeführt werden sollte, denn die Lehrkräfte werden in Deutschland ausgebildet. Zum Inhalt des Religionsunterrichts oder -unterweisung erkundigte er sich nach konkreten Punkten, wo gesagt werden könnte, dass mit einem bestimmten Thema der Unterweisung nicht einverstanden sein könnte.

Herr Gündez stellte fest, dass es s.E. keine ausgebildeten Religionslehrer z.Zt. in Deutschland für den islamischen Religionsunterricht gibt. Dann nahm er Bezug auf die Aussage von Frau Köhler, dass es genügen würde, wenn eine Organisation die Zustimmung für den Lehrplan gibt. Er zitierte aus einem Ausdruck des Landtags NRW, Seite 52: “Es ist Sache der islamischen Organisationen sich zu Religionsgemeinschaften zusammenzuschließen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden.” Daraus entnimmt er, dass nicht nur eine Gemeinschaft, sondern alle Gemeinschaften bestimmten sollten, wie der Unterricht stattfinden soll.

Herr Konak trug seine Bedenken dahingehend vor, ob der islamische Religionsunterricht in Deutschland zur Integration der Muslime führt oder ob dieses eher zu einer Spaltung der Gesellschaft führt. Weiter führte er aus, dass die Organisation DITIB, die er aus der Türkei her kenne, eine staatliche Organisation sei. Er ist sich nicht sicher, ob man gut beraten ist, wenn man diese um Rat fragt. Er stellte dann die Frage an Frau Köhler, warum die Moscheen in Deutschland nicht dem Zentralrat der Muslime angehören statt der DITIB oder Milli Görüs aus der Türkei? Weiter teilte er mit, dass ihm bekannt ist, dass Milli Görüs stärker organisiert ist als die DITIB. Auf der einen Seite sagt man, die Meinung von Milli Görüs ist uns nicht wichtig, weil diese politisch geprägt ist, auf der anderen Seite aber die Meinung von DITIB wichtig sei, weil diese unabhängig ist. Man setzt also hier Unabhängigkeit und Staatlichkeit
gleich und das ist nicht richtig. Weiter führte er aus, dass er dafür sei, dass in Deutschland ein Religionsunterricht für alle Gläubigen stattfindet. Er bezeichnete diesen Unterricht als Religions-/Geschichtsunterricht. Die Kinder in Deutschland sollten unabhängig von ihrem Glauben Religionsunterricht erhalten und dann selbst entscheiden können, welche Religion sie übernehmen. Herr Konak trug vor, dass s.E. Religion und Staat in Deutschland nicht getrennt sind. Wäre es so, hätte man heute keinen evangelischen und katholischen Religionsunterricht. Finanziell sind die Kirchen vielleicht unabhängig, da sie Kirchensteuern einnehmen und sich dadurch selbst finanzieren können. Politisch seien die Kirchen nicht unabhängig.

Frau Köhler ging auf den Vortrag von Herrn Kara wie folgt ein: Man hat das Curriculum vom Landesinstitut in Soest wurde nicht akzeptiert, da es für türkische Muslime gemacht wurde, religiöse Unterweisung für türkische Kinder. Deswegen ist dieser Lehrplan beladen von türkischen Sitten und Gebräuchen. Damals war eine politische Tendenz in der Pädagogik gängig. Also Kritik der Gesellschaft, Kritik der Kritik willen. Deshalb sind in diesem Lehrplan viele gesellschaftskritische Elemente und religiöse Zwiste. 1994 wurde eine kritische Analyse zu diesem Lehrplan geschrieben an das Ministerium geschickt. Es hat viel Mühe für die Muslime an der Basis gemacht, die Behörden darauf aufmerksam zu machen, was auf Deutschland zukommt. Es wäre sehr tragisch, dass dieses Curriculum seit 15 Jahren quasi in der Praxis ist, obwohl man Bedenken vorgetragen hat. Man sollte heute nicht nur über die Vergangenheit reden, denn das Ministerium kann die Situation heute besser übersehen und man hofft, recht bald bessere Möglichkeit für die Kinder zu erhalten. Zum Lehrerproblem führte sie aus, dass viele Klagen von islamischen Eltern gekommen sind, dass Lehrer kein astreines Theologiestudium absolviert haben. Das gerade türkische Lehrer islamische Werte in der Schule zerstören. Ein oft gesagtes Beispiel ist, wenn die Eltern oft mit Mühe den Kindern rituelle Waschung beibringen, sagt der Lehrer in der Schule, die Araber waren damals schmutzig, deswegen haben sie sich so gewaschen. Heute braucht ihr es so nicht zu machen usw. Dem türkischen Unterricht gegenüber gibt es eine gewisse Skepsis, weil eben die Werte in der Schule neutralisiert werden. Beim ordentlichen Religionsunterricht ist es sehr wichtig – so Frau Köhler -, dass Lerninhalte vorgeschrieben sind, damit eine Transparenz vorhanden ist.
Zu dem Vortrag von Herrn Gündüz trug Frau Köhler vor, dass in Bayern die islamischen Gemeinschaften, auch die Dachverbände, eine islamische Gemeinschaft Bayern aufbauen. Dieses könnte man in NRW auch machen.
Zu den Ausführungen von Herrn Konak teilte Frau Köhler mit, dass sie nicht für eine Ausschließung von DITIB und Milli Görüs ist. Milli Görüs arbeitet schon mit dem Zentralrat zusammen und schließt sich Projekten des Zentralrates an. Es wäre für Deutschland nicht vorteilhaft, wenn eine Moschee mit 500 Filialen ausgegrenzt würde.
Zu der Anfrage nach einer interreligiösen Erziehung der Kinder teilte Frau Köhler mit, dass man bereits in England diese Methode praktiziert und festgestellt hat, dass Kinder sich in keiner Religion zu Hause fühlten bzw. im Dialog nicht standhaft oder qualifiziert genug miteinander auseinandersetzen konnten. Man muss sich für eine Religion entscheiden können, was nicht heißen soll, dass man andere Glaubensrichtungen ablehnt. Gerade ein religiöser Mensch kann empfindsam mit anderen religiösen Menschen umgehen. Frau Köhler vertrat ebenso die Meinung, dass ein Religionslehrer ein Vorbild sein sollte und die Kinder deshalb erkennen sollten, welcher Religion er angehört. Ihrer Meinung nach ist der Islam in sich schon interreligiös. Er lässt Bibel und Tora anerkennen. Die Muslime lieben auch Jesus und Moses, Mohamed und Abraham, Friede sei mit allen Propheten. Der Islam in sich ermöglicht mit den anderen Religionen zurechtzukommen. Er hat, wie andere Religionen auch, Universalität Anspruch, lehrt aber auch, wie man mit anderen Religionen vornehm und menschlich umgehen kann. Ein Muslim ist verpflichtet, den Andersgläubigen gegenüber tolerant zu sein. Sie betonte noch einmal, dass man sich erst in einem Glauben heimisch fühlen muss, um sich qualifiziert mit anderen Glaubensrichtungen auseinandersetzen zu können.

Herr Giese trug vor, dass Einigkeit darüber herrscht, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland vernünftig sind und allen Religionen das gleiche Recht einräumen, ihre Werte zu vermitteln. Über die Inhalte, wie die muslimische Religion vermittelt werden soll, ist man sich uneinig. Hierzu zitierte er Frau Köhler wie folgt: Es muss Glauben vermittelt werden, weil dann wertvolle Menschen entstehen. Wer gläubig ist, muslimisch Glaubender ist, ist ein guter Mensch. Also, wer gläubig ist, ein Muslim, ein Christ, ein Jude, ist damit mit Werten versehen und ein guter Mensch. Dann zitierte er einen Nachsatz von Frau Köhler: Selbst in der PDS wissen die Menschen wo es lang geht. Und genau diese Mischung, die Religion und eine Partei, ist es, was uns unterscheidet in der Vermittlung, lt. Herrn Giese. Es gibt eine staatliche Organisation, die Parteien als Grundlagen und es gibt Glaubensrichtungen, die Religionen als Grundlagen haben. Frau Köhler habe dieses noch einmal untermauert, als sie gesagt hat, in der Türkei ist, als die Religion und der Staat getrennt wurden, ein Vakuum entstanden und dieses Vakuum führt dazu, dass es Schwierigkeiten in der Türkei gibt. Die Kurden usw. und genau an dieser Stelle haben wir Probleme miteinander, die noch ausgeräumt werden müssen. Dann bat Herr Giese um den Entwurf des Lehrplanes. Frau Köhler wird diesen zusenden.

Herr Cihan stellte fest, dass in Deutschland 90% der Muslime Türken sind. Dann informierte er, dass 300 Mitgliedsvereine sich im islamischen Kulturzentrum, 511 Mitgliedsvereine bei Milli Görüs und 776 Mitgliedvereine bei der DITIB befinden. Weiter führte er aus, dass muttersprachlicher Religionsunterricht für türkische Kinder stattfinden muss, da man zuviel von der Muttersprache verliert, wenn der Religionsunterricht nicht in türkischer Sprache stattfindet.
Herr Cihan bemängelte, dass von dem Schulamt niemand zur heutigen Sonder-Sitzung erschienen ist.

Herr Aydin trug vor, dass man erst am Anfang steht, was den islamischen Religionsunterricht betrifft. Seit ca. 15 Jahren hat der türkische und der deutsche Staat die Muslime vergessen. Seit Jahren haben die türkischen und muslimischen Kinder keinen islamischen Unterricht gehabt. Nur in den Vereinen und Moscheen wurde Unterricht erteilt.
Herr Aydin trug vor, dass in den Berufsschulen nur christlicher Religionsunterricht erteilt wurde und dass er hieran freiwillig teilgenommen hat. Von anderen Religion habe er da nie etwas gehört. Es wäre schön, wenn auch an diesen Schulen andere Religionen vorgestellt würden.
Er würde es sehr begrüßen, wenn bald islamischer Religionsunterricht erteilt würde.

Frau Babouhkadia vertrat auch die Meinung, dass gelernte Theologen Religionsunterricht erteilen sollten. Weiter bedauerte sie, dass das Schulamt keinen Vertreter geschickt hat.

Herr Güclü bedauerte an dieser Stelle, dass kein Vertreter vom Schulamt anwesend ist, um wichtige Fragen zu beantworten.
Es mit der PDS erwiderte Frau Köhler, dass sie hiermit nur zum Ausdruck bringen wollte, dass man sogar selbst in einer Partei begründen muss, warum man in der PDS, der CDU oder SPD ist. Also nicht nur in der Religionsbegründung sollte man wissen, warum man gerade diese und keine andere gewählt hat. Sie wollte nicht die Partei und die Religion mischen. Frau Köhler trug weiter vor, dass die Leute sagen, diese Gesellschaft mag uns nicht, wenn man sieht, wie lange man hingehalten wird, bevor ein islamischer Religionsunterricht erteilt wird. Aber die Politiker hätten inzwischen gemerkt, dass die Integration erst dann klappen kann, wenn die Muslime, so wie sie sind, akzeptiert und völlig normal behandelt werden. Die Kinder und Jugendlichen leiden darunter, wenn sie nicht anerkannt werden. Zu dem Vakuum in der Türkei sagte sie, dass man mit der Abschaffung des Islams zu radikal vorgegangen ist. Sämtliche humanitäre Werte in der Gesellschaft sind auch dabei verschwunden. Z.B. hat man eine sehr hohe Alkoholikerrate, sehr hohe Scheidungsraten, Wirtschaftskrisen, was auch moralische und kulturelle Krise sind. Wenn die Türken in ihrem Land klassische islamische Werte gehabt hätten, würde das Land anders aussehen. Es gibt z.B. in den offiziellen Schulen keinen Religionsunterricht.

Jeder moderne Religionsunterricht muss sich mit anderen Religionen auseinandersetzen. Es gibt keinen islamischen, katholischen, evangelischen oder orthodoxen Unterricht der sich nicht mit anderen Religionen befasst. Der Staat sorgt dafür, dass auch andere Religionen unterrichtet werden, was den Muslimen nicht schwer fällt, weil der Islam selber viele Elemente anderer Religionen in der Lehre schon hat.

Auf die Fragen von Herrn Cihan antwortete Frau Köhler, dass die Tendenz so ist, dass man türkisch als eine Sprache montieren will in die Schule. Dieser muttersprachliche Ergänzungsunterricht, daneben Kulturunterricht, war damals, als man dachte, dass die Türken zurückfahren würden nach dem Rotationsprinzip. Man muss es Deutschland anerkennen, dass es sehr viel Geld ausgegeben haben für die Türken. Bei anderen Nationen, wie Italiener usw. mussten die Konsulate überwiegend den Sprachunterricht bezahlen. Die türkische Sprache wird eine Hauptsprache sein, wenn die Kinder sie erlernen wollen, können sie am Unterricht teilnehmen. Frau Köhler vertrat hier auch die Meinung, dass Deutschland die türkische Sprache für wirtschaftliche Zwecke brauchen wird. Denn zu Europa gehört auch die türkische Sprache.

Herr Güclü bedankte sich bei Frau Köhler für den interessanten und informativen Vortrag.
Dann bat er die Verwaltung, Herrn Klenner, vorzutragen, warum Herr Nolte nicht erschienen ist. Herr Klenner trug vor, dass Herr Nolte nicht mehr zuständig sei, sondern Frau Frische und dass das Schulamt keine schriftliche Entschuldigung abgegeben habe.

Herr Güclü legte eine Pause von 10 Minuten ein. Um 18.20 Uhr wurde die Sitzung wieder eröffnet.

Herr Güclü verwies auf den am Anfang dieser Sitzung gestellten Dringlichkeitsantrag und gab das Wort an Frau González, als eine der drei Antragstellerinnen.

Frau González trug vor, dass während eines Pressegesprächs am 05.10.2001 im Rathaus die Informationsbroschüre zum Thema “Weibliche Genitalverstümmelung”, von TERRE DES FEMMES e.V. und dem Ausländerbeirat vorgestellt wurde. Der Ausländerbeirat hat sich mit einem finanziellen Beitrag von DM 300,-- an der Broschüre beteiligt. Während des Pressegesprächs hat sich herauskristallisiert, dass man den Zentralrat der Muslime um eine finanzielle Unterstützung bitten möchte, da auch die islamische Gesellschaft die Frauenbeschneidung ablehnt. Die Frauenbeschneidung ist im Koran nicht erwähnt. Sie ist auch keine dem Islam entlehnte Tradition, sondern hat ihre Wurzeln in vorislamischer, wie auch in vorchristlicher Zeit. Es soll noch geprüft werden, ob nicht auch dem Islamrat der Dringlichkeitsantrag mit der Bitte um eine finanzielle Unterstützung zugeschickt werden soll. Frau González würde es sehr begrüßen, wenn der heutige Antrag durch Frau Köhler dem Zentralrat der Muslime direkt übergeben würde.

Herr Güclü bat Frau Köhler um ihre Stellungnahme.

Frau Köhler begrüßte es sehr, dass man sich um das Problem “Weibliche Genitalverstümmlung” kümmert und stellte fest, dass es sich tatsächlich nicht um eine islamische Tradition handelt und dass ihre Wurzeln in vorislamischer Zeit zu finden sind. Gerne nimmt sie den Antrag zum Zentralrat der Muslime in Deutschland mit und sie wird sich im Vorstand dafür einsetzen, dass diese Initiative finanziell unterstützt wird.

Herr Kara fragte an, ob es nicht ratsam wäre, dass TERRE DES FEMMES sich direkt an den Zentralrat wendet, da der Ausländerbeirat nicht Vertreter dieses Vereins ist.

Herr Güclü begrüßte an dieser Stelle Stadträtin Greive, die erst jetzt zu der Sitzung kommen konnte, da dringende Termine – mehrere Alarme vermeidlicher Anschläge – ihre Anwesenheit erforderten, und gab ihr das Wort.

Frau Greive teilte zu der Bemerkung von Herrn Kara mit, dass sie Schirmfrau des Dortmunder Arbeitskreises “Wir brechen ein Tabu” ist, der als Teilorganisation des Vereins TERRE DES FEMMES wirkt und sie könne bestätigen, dass die Antragstellerinnen mit dem Verein abgesprochen haben, dass dieser Antrag heute gestellt wird und zwar aus folgendem Grund: Selbtverständlich kann TERRE DES FEMMES e.V. sich auch selber an den Zentralrat der Muslime wenden, aber es ist natürlich auch für eine finanzielle Forderung immer sehr viel besser, wenn diese auch noch von anderen Organisationen unterstützt wird. Das ist so eine Art Referenz, dass sie die Arbeit für sinnvoll halten und um eine solche Referenz bittet TERRE DES FEMMES den Ausländerbeirat.

Frau González teilte Herrn Kara mit, dass die bereits im Vorfeld ausgeführt habe, dass es sich hier um vorislamische Gebräuche handelt.

Frau Köhler stellte die Frage, ob man nicht auch von christlichen Institutionen finanzielle Unterstützung erbitten kann?

Herr Güclü schlug vor, den Dringlichkeitsantrag dahingehend zu ergänzen, dass auch christliche Institutionen und weitere muslimische Organisationen angeschrieben werden sollten.

Der Dringlichkeitsantrag, mit entsprechender Ergänzung, wurde einstimmig angenommen.

Nach diesen Ausführungen schloss Herr Güclü 18.40 Uhr die Sitzung.



Yusuf Güclü Mehmet Ali Yildirim Brigitte Flint
Vorsitzender Mitglied des Ausländerbeirates Schriftführerin